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Gedanken eines Anwohners: Die Rheinbrücke Wesseling/Niederkassel … ein Hin und Her

Ein Anwohner aus Lülsdorf hat sich die Zeit genommen, um seine Gedanken zur Rheinquerung aufzuschreiben. Er hat uns um Veröffentlichung gebeten. Gerne kommen wir dem Wunsch nach.

Die geplante Rheinbrücke Wesseling/Niederkassel … ein Hin und Her

Vorwort

Viele Gegner des Brückenprojektes sind in den letzten zwei Jahrzehnten raus aus der Stadt und rein in das beschauliche ländliche Umfeld von Niederkassel gezogen. Die Neubürger nahmen viel Geld in die Hand, um für sich und ihre Familie abseits des Großstadtgetriebes ein neues Heim in ruhiger Umgebung einzurichten. Bauträger warben in ihren Exposés mit ruhiger Lage und kurzen Wegen nach Köln oder Bonn. Naturschutz- und Wassereinzugsgebiete sollten Garant für die Felder und Rheinauen sein. Eine hauptsächlich alt eingesessene Bürgerinitiative übernahm die Bepflanzung einer Ausgleichfläche. Die Stadt Niederkassel freute sich über den Zuzug der Neubürger und Steuerzahler, denn das örtliche Gewerbe expandierte und viele neue Geschäfte eröffneten.

Die vorhandenen Lärm- und Staubemissionen sowie Störfälle der umliegenden Chemiewerke wurden mehr oder weniger als unabdingbar zur Kenntnis genommen, denn die vorhandenen Werke waren ja vor uns Neubürgern da. … und absolute Ruhe und saubere Luft in einer Industriegesellschaft gibt es vielleicht auf der Zugspitze, da ist aber nicht für alle Platz.

Das war der Start für viele Neubürger in Niederkassel-Lülsdorf. Toll, man fühlte sich wohl und bereute den Umzug auf das Land nicht.

Die Sicht vieler Bürger auf die Verkehrssituation

Die Bürger von Niederkassel wissen: In der Rushhour geht es auf den vorhandenen Straßen in Richtung Bonn mäßig und in Richtung Köln über Zündorf, Porz oder Wahn sehr mäßig voran. Die geplante Brücke würde den Bürger auch nicht schneller an sein Ziel bringen. Sie würde eher irritierte ortsunkundige Fahrer in das schon vorhandene Verkehrschaos der Rushhour leiten. Die Bürger von Niederkassel haben sich auf diesen Missstand eingestellt und warten mehr auf den Ausbau von vorhandenen oder geplanten Umgehungsstraßen. Dieser Ausbau von vorhandenen Straßen vernichtet nicht so viel Fläche und trennt auch nicht biologische und ökologische Bereiche wie die Brücke es tun würde. Wenn die geplanten Umgehungsstraßen fertig gestellt werden würden, bringe dies den Bürger schneller zum Ziel in Richtung Bonn, Köln oder zu den Autobahnanschlüssen der A59, A3, A4, A565 und A560.

Das Problem ist: Die Innenstädte von Köln und Bonn können weder die vorhandenen, noch die zu erwartenden Verkehrsströme aufnehmen! Verkehrsflächen und Parkplätze sind in den Innenstädten verplant und nicht weiter ausbaufähig.

Wer hat den Nutzen der geplanten Brücke?

Aus den bisher bekannten Veröffentlichungen für den Bau einer Brücke stellt sich ein Vorteil für die Logistik des Containerbahnhofes Eifeltor, der Chemiewerke, des geplanten Rheinhafens der Evonik und des Cargo-Bereiches des Köln-Bonner Flughafens heraus.

Zwischenfrage: Wie groß soll der Evonik-Rheinhafen werden? Wenn der zukünftige Betreiber Duisburger Hafen AG (größter europäischer Binnenhafen) sein soll, plant man hier etwas Großes. Der Hafenausbau Köln-Godorf wurde ja abgelehnt. Aus welchen Gründen wohl?

Klar ist: Eine fast gradlinige Straßenverbindung – am besten auch noch mit einer zweispurigen Eisenbahntrasse – aus Steuergeldern finanziert, würde den Betreibern des Containerbahnhofes Eifeltor, den Chemiewerken, dem geplanten Rheinhafen der Evonik und dem Cargo-Bereich des Köln-Bonner Flughafens einen immensen finanziellen und zeitlichen Vorteil bringen.

Die geplante Brücke böte sich auch als Ausweichstrecke für die vorhandenen maroden Kölner Rheinbrücken an. Diese könnten dann wie bisher mit minimalen finanziellen Mitteln und minimalen Wartungsplänen geprüft und Instand gehalten werden – Köln hätte ja mit der neuen Brücke im Süden dann noch eine Rheinquerung … „und es ist ja immer gut gegangen“.

Die Idee für die neue Rheinbrücke stammt von der Industrie und der IHK. Sie hat das Mitspracherecht der betroffenen Bürger durch den seltsam schnell beschlossenen Bundesverkehrswegeplan – an den betroffenen Bürgern vorbei – auf den Weg gebracht. So effektiv ist Lobbyarbeit!

Zuständigkeit für Unfall- und Rettungseinsätze

Wer ist zuständig für die Bereitstellung (Finanzierung) der bereitzustellenden Unfall- und Rettungskräfte? Es werden Gefahrguttransporte über die Brücke rollen, die im Falle eines Unfalles nicht optimal von den im Umland vorhandenen Unfall-, Rettungs- und Bergungsdiensten bedient werden können (vergleiche die Ablehnung der Leverkusener Tunnellösung für die neue Rheinbrücke auf Grund von Gefahrguttransporten).

Folgekosten für Straßenreparaturen durch erhöhtes Verkehrsaufkommen

Was nütze eine neue Rheinbrücke ohne Einbindung für Lülsdorf? Denkt man an den geplanten Evonik-Rheinhafen, dann muss eine Einbindung her! Dies geht nicht, ohne dass Land mit Asphalt oder Beton versiegelt würde. Große Lastfahrzeuge brauchen große Straßen! Machen wir aus den vorhandenen Land- und Kreisstraßen breite Lkw-Pisten, frei nach der Devise: … ist unser Kind platt wie ein Teller, war der Lkw wieder schneller!

Bekommt Niederkassel mit der neuen Rheinbrücke auch endlich eine eigene Polizeistation? Nachweislich steigen die Eigentumsdelikte in der Nähe von Autobahnen und Schnellstraßen durch mobile Räuberbanden!

Die alternative Lösung für die Bürger

Warum baut man nicht die Straßenbahn von Zündorf nach Bonn? Einst wurden die Pläne von der Stadt Köln verworfen, da für den Papstbesuch zum Weltjugendtag 2005 in 55 Tagen ein 10 m hoher Berg aufgeschüttet und eine Straßenbahnlinie zum Versammlungsgelände gebaut werden musste. Am Ende war kein Geld für die Straßenbahn Zündorf – Bonn mehr da. Es sind elf Jahre vergangen, und es ist immer noch kein Geld da? Ach ja, die Kölner Oper und U-Bahn kosteten ja nur einige Millionen mehr.

Die Straßenbahntrasse ist größtenteils noch vorhanden. Mit einem Bruchteil der jetzt geplanten Brückenkosten könnte man diese Idee realisieren. Natürlich sind auch wieder Bürger betroffen, die neben der Trasse wohnen. Doch ein modernes Schienenbett für die Bahn ist auch nicht mehr so laut wie es in Kindertagen wahrgenommen wurde. Viele Pendler in der Region würden die Bahn nutzen, denn der Rushhour-Stress und die Parkgebühren in Köln oder Bonn würden viele Pendler zur Einsicht bringen.

Wie viele Arbeitnehmer und Schüler pendeln im Köln-Bonner Bereich? Wie viele Mama-Papa-Taxen fahren täglich hin und her? Wie viele Autos könnten für einen voll besetzten Straßenbahnzug stehen bleiben? Wie viele Straßenbahnen könnten in der Rushhour zwischen Köln und Bonn verkehren? Wenn diese Fragen beantwortet würden, hätten wir eine Lösung für den Umwelt- und Klimaschutz! Das der öffentliche Personennahverkehr – wenn vorhanden – angenommen wird, beweisen die vollbelegten P+R-Parkplätze sowie die überfüllten Busse und Bahnen.

Es gibt noch weitere Kritiker,

  • die sich über das Planungsrecht gemäß EWG-, Bundes- und Landesrecht mit der Beteiligung der betroffenen Bürger beschäftigen.
  • die sich Gedanken über die immensen zusätzlichen CO2– und Feinstaubbelastungen gemacht haben.
  • Der BUND, der auf die unwiederbringliche Zerstörung der Natur, den Klima- und Trinkwasserschutz hinweist.

Diese Kritiker sind nicht Leute, die sich profilieren wollen, sondern es sind betroffene Bürger, die sich um unsere zukünftige Lebensqualität Gedanken machen.

Liebe Volksvertreter aller Parteien: Viele klagen über die politisch interessenlose Jugend. Eure zukünftigen Wähler haben sich formiert: Im Jugendclub Widdig in Niederkassel-Ranzel gibt es ein Kinder- und Jugendparlament, da stößt die geplante neue Rheinbrücke auf Ablehnung unter den jungen Leuten. Diese Jugendlichen sind zwischen 14 und 16 Jahre alt. Sie möchten weiterhin in ihrer angestammten Heimat leben – ohne zusätzlichen Verkehrslärm, CO2-Abgasen und Feinstaubbelastungen. Sie möchten später einmal mit ihren Kindern auch noch in den Rheinauen spazieren und spielen gehen.

An die gewählten Bürger- und Volksvertreter

Lieber Bürgermeister, liebe Ratsmitglieder und Politiker: Wer soll das bezahlen und unterhalten?

  • Der Bürger durch erhöhte Grundsteuer? Das ansässige Gewerbe mit Erhöhung der Gewerbesteuern? – Die haben ja auch einen Vorteil, denn Schrauben und Brötchen können schneller angeliefert werden … aber lohnt sich der ganze Aufwand wirklich dafür?

Ihr wurdet gewählt, um den Bürgern eurer Stadt, dem Kreis und dem Land ein würdiges Leben zu gestalten. Ist es würdig, an einem Ort zu leben, wo nur die Wirtschaft expandiert und das letzte Stück Natur geopfert wird, um in Staub und Lärm festzustellen – wir haben der Wirtschaft alles gegeben, doch der Mensch ist auf der Strecke geblieben? Habt Ihr Euch mal überlegt, warum Eure Bürger (Wähler) Eure Gemeinde als Lebensmittelpunkt gewählt haben?

Keiner möchte zurück in die Steinzeit, wir leben und arbeiten für den Fortschritt. Der Fortschritt soll aber in erster Linie dem Menschen dienen!

Kritiker sind auch keine Feinde oder Gegner. Sie möchten in dieser Diskussion auf Artikel 2, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hinweisen:

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Ein zurzeit frustrierter Mitbürger
S. H.

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