Am Freitag, dem 10.12.2021 fand in Aachen die 5. Sitzung des Regionalrates der Bezirksregierung Köln statt, auf der die Fraktionen von CDU, SPD und FDP per Dringlichkeitsbeschluss gegen den Willen der betroffenen Bürger die Regierung aufgefordert haben, für den schnellstmöglichen Bau der Rheinspange 553 zu sorgen. Die Fraktion DIE LINKE / Volt hatte zusammen mit den GRÜNEN als Gegenantrag zur Resolution der Verkehrskommission die Resolution von mittlerweile sieben Initiativen gegen die Rheinspange in die Sitzung eingebracht, der aber von der Mehrheit aus CDU, SPD und FDP abgeschmettert wurde. Leider scheinen empfundenermaßen in erster Linie die Politiker von CDU, SPD und FDP noch immer nicht den Klima-Knall gehört zu haben bzw. nicht hören zu wollen und beschließen emsig weiter, wertvolle Böden in Flussnähe und anderswo zu versiegeln, während mittlerweile schon kleinen Schulkindern der Zusammenhang von zu viel Bodenversiegelung und dadurch bedingten lebensgefährlichen Flusshochwässern geläufig ist.
Text der Pressemeldung:
Pressemitteilung
Rheinspange gegen Bürgerwillen beschlossen
Die Fraktion DIE LINKE. / Volt hatte gemeinsam mit der Fraktion der Grünen eine Resolution verschiedener Bürgerinitiativen gegen den Bau der neuen Rheinspange 553 als Gegenantrag zur Resolution der Verkehrskommission in die heutige Regionalratssitzung eingebracht.
- Sachlage zu den Beschlüssen im Regionalrat
- Stimmen der Bürgerinitiativen
- Grundlegendes Infrastruktur-Problem
Köln/Aachen, 10.12.2021 – Obwohl sich ein Bündnis aus sieben Bürgerinitiativen mit einer Resolution an den Regionalrat gewandt hatte, stimmten die Fraktionen von CDU, SPD und FDP per Dringlichkeitsbeschluss für den Bau der neuen Rheinspange 553 zwischen A59 und A555 sowie der A553. „Mit diesem Beschluss fordert der Regionalrat Köln die neue Bundesregierung auf, schnellstmöglich ein Projekt umzusetzen, dass der versprochenen Verkehrswende komplett widerspricht“, so Fraktionsvorsitzender Friedrich Jeschke von DIE LINKE. / Volt im Regionalrat Köln. „Leider liegt nun das Bundesverkehrsministerium in den Händen der FDP – da kann man auch nicht erwarten, dass der Bau der Rheinspange noch einmal auf Nachhaltigkeit geprüft wird“, ergänzt stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beate Hane-Knoll.
Die Rheinspange ist eine von mehreren geplanten Autobahnerweiterungen im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP). Der Bundesverkehrswegeplan trat 2016 in Kraft und beruft sich auf Prognosen der Verkehrsentwicklungen sowie auf Ziele aus dem Jahr 2014. Die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens, dem Deutschland ein Jahr später beigetreten ist, konnten daher noch nicht berücksichtigt werden. Selbst in der Stellungnahme des Umweltbundesamtes heißt es schon 2016: „Daher muss festgestellt werden, dass der Entwurf des BVWP 2030 bei der Umweltprüfung faktisch durchgefallen ist.“[1]
Ähnlich vernichtend fällt ein Jahr später das Ergebnis des Sachverständigenrats für Umweltfragen aus: “Der Bundesverkehrswegeplan 2030 verfehlte zudem elf der zwölf von der Bundesregierung aufgestellten Umweltziele.”[2]
„Die im Regionalrat vorherrschenden Ansichten, die mit diesem Beschluss noch einmal bekräftigt werden, sind aus heutiger Sicht also bestenfalls veraltet und unter Berücksichtigung der Klimaziele nicht tragbar“, so Beate Hane-Knoll.
Auch das Fazit der Bürgerinitiativen ist ernüchternd
So sehen das auch die Bürgerinitiativen, die den Bau der Rheinspange mit Unterstützung der Fraktionen DIE LINKE. / Volt und der Grünen mit einer Resolution im Regionalrat verhindern wollten.
„In Zeiten des für Köln erklärten Klima-Notstandes und der gerade im vergangenen Juli stattgefundenen Fluthochwasserkatastrophen weiß mittlerweile jedes Schulkind, dass diese durch die Versiegelung von zu viel Boden begünstigt werden. Im Regionalrat jedoch lassen sich all diesen Erkenntnissen zum Trotz traurigerweise anscheinend immer noch Mehrheiten finden, die den Klima-Knall entweder noch nicht gehört haben oder zu ignorieren scheinen“, sagt Gerhart Renner, Sprecher der Vernetzung der Bürgerinitiativen, zu der die Bürgerinitiative Köln-Porz-Langel gegen die Autobahnquerung 553 sowie die Bürgerinitiativen BI Bürger gegen die Brücke und BI Umweltfreundliche VerkehrsInfrastruktur für den Raum Köln-Bonn-Niederkassel-Troisdorf (BI-UVI) gehören.
„Die Parteien des Regionalrats haben sich vor der Bundestagswahl wortreich hinsichtlich des Klimaschutzes artikuliert. Was nach der Wahl bleibt, sind leere Klima-Worthülsen. Stoppt endlich den Ausbau der Autobahnen!“, ärgert sich Raimund Gerber von der Bürgerinitiative Moratorium-A565, Bonn.
„Der Dringlichkeitsantrag der Verkehrskommission des Regionalrates lässt jegliche Ansätze zur Lösung der zwingend erforderlichen Verkehrs- und Mobilitätswende vermissen. Man hat den Eindruck, dass die Erkenntnisse der Klimaschutzkonferenzen gerade in letzter Zeit keine Rolle in den Köpfen der Verfasser dieses Papiers spielen“, sagt Norbert Brauner, stellvertretender Vorsitzender des Landschaftsschutzvereins Vorgebirge (LSV).
Diese Einschätzung bestätigt auch Beate Hane-Knoll, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE. / Volt im Regionalrat Köln und Mitglied der Verkehrskommission: „Naturschutz, Klimaschutz und Verkehrswende werden ignoriert ebenso wie die Erforderlichkeit der Umsteuerung – das sehen wir in jeder Sitzung. Denn normalerweise werden wir und die Fraktion der Grünen in diesen Punkten von CDU, SPD und FDP überstimmt – so war es auch bei diesem Dringlichkeitsbeschluss.“
„4,4 Millionen Menschen sind von den Entscheidungen des Regionalrats betroffen und die heutige Entscheidung zur Rheinspange ist desaströs“, sagt auch Irmgard Henseler von der Bürgerinitiative Moratorium-A565.
„Jetzt noch neue Autobahnen zu bauen, konterkariert die Verkehrswende, gefährdet das Klima, die Umwelt und eine lebenswerte Zukunft für die nachfolgenden Generationen“, so auch Norbert Kemmer von der Bürgerinitiative „Nein zur RHEINSPANGE – JA zur NULLLÖSUNG“.
„Es klingt sehr abenteuerlich, dass der 1. FC Köln sein Sportgelände nicht um die Fläche zweier Trainingsplätze im Grüngürtel erweitern darf, andererseits aber im Kölner Süden bei einer eventuellen Rheinquerung zwischen Godorf und Porz-Langel durch ein insgesamt zweieinhalb Kilometer langes Brückenbauwerk mit sog. „Vorlandbrücke“ nicht nur ein Auenwald und ein bestehendes Retentionsbecken, sondern auch gleich noch die angrenzenden Wasserschutzgebiete einschließlich vorhandener Trinkwasserbrunnen in Mitleidenschaft gezogen werden sollen, um nicht nur auf einer Fläche von zwei, sondern von 200 (!!!) Fußballplätzen den wertvollen Boden zu versiegeln“, sagt Gerhart Renner, Sprecher der Vernetzung der Bürgerinitiativen.
Eine bessere Infrastruktur führt auch wieder zu mehr Verkehr
Friedrich Jeschke, Fraktionsvorsitzender von DIE LINKE. / Volt im Regionalrat Köln, argumentierte schon in der letzten Sitzung der Verkehrskommission, dass der Bau der Rheinspange nicht nur aus Sicht von Klima- und Umweltschutz bedenklich ist. Denn eine stärker ausgebaute Infrastruktur sorgt nur kurzfristig für einen besser fließenden Verkehr: Durch eine verbesserte Anbindung ziehen Menschen in weiter außen liegende Stadtteile, wo sie das Auto noch häufiger verwenden müssen. Auch der internationale Durchgangsverkehr steigt. So sorgt eine ausgeweitete Infrastruktur für mehr gefahrene Straßenkilometer pro Verkehrsteilnehmer*in und erhöht die absolute Anzahl der Autos auf der Strecke.
Diesen Effekt nennen Verkehrswissenschaftler Fundamental Law of Highway Congestion (übersetzt: Grundlegende Gesetz der Autobahnüberlastung)[3], demzufolge sich einige Jahre nach einer Straßenverbreiterung immer der Status Quo wieder einstellt oder der Verkehr sogar schlechter fließt als vor dem Ausbau. Der Effekt wurde in Studien weltweit bestätigt, von Japan[4] bis in die USA. Erst vergangenes Jahr bekräftigte eine neue, groß angelegte Studie aus Barcelona den Effekt für die 545 größten Städte Europas (darunter Köln): “Our results confirm that in the long run, and in line with the ’fundamental law of highway congestion’, the expansion in cities of lane kilometers causes an increase in vehicle traffic that does not solve urban congestion” (wörtlich übersetzt: “Unsere Ergebnisse bestätigen, dass die Ausweitung der Fahrbahnkilometer in den Städten langfristig und in Übereinstimmung mit dem „grundlegenden Gesetz der Autobahnüberlastung“ eine Zunahme des Fahrzeugverkehrs verursacht, die die Überlastung der Städte nicht löst”)[5].
Dies sagt auch Norbert Brauner, stellvertretender Vorsitzender des Landschaftsschutzvereins Vorgebirge (LSV): „Eine neue Autobahn mit einer weiteren Rheinquerung – die sogenannte Rheinspange – im dicht besiedelten Ballungsraum Köln / Bonn löst keines der akuten Verkehrsprobleme. Sie schafft stattdessen neue Verkehrsprobleme. Durch die Rheinspange locken wir insbesondere den Fernverkehr von Süddeutschland zu den Nordseehäfen Antwerpen und Rotterdam an. In Köln-Süd wird sich der tägliche Stau deutlich vergrößern und wir befürchten, dass der LKW-Verkehr sich ersatzweise vor allem durch unsere Dörfer und Städte im Vorgebirge wälzen wird.“
Die Zunahme des Verkehrs ist auch Straßen-NRW bekannt. So prognostizieren sie innerhalb kurzer Zeit ein erhöhtes Verkehrsaufkommen von bis zu 36.000 Fahrzeugen pro Tag, allein durch die neue Brücke[6]. Der Verkehr wird aber mindestens so lange stetig steigen, bis das Stauaufkommen genauso hoch ist wie vor dem Ausbau. Für jeden Einzelnen bedeutet das im schlimmsten Fall, dass sich die durchschnittliche Fahrzeit verschlechtert, im besten Fall aber maximal so hoch ist wie vor dem Ausbau. Ist dieser Punkt erreicht, wird sich das nun höhere Verkehrsaufkommen neue, schnellere Wege suchen. Das heißt auch die versprochene Entlastung der angrenzenden Städte wird langfristig nicht gelingen.
Auf direkte Nachfrage von Volt Köln bestätigte die Autobahn GmbH, dass Ihnen der Effekt als Breass-Paradoxon[7] bekannt sei[8]. Vorkehrungen, um dem Effekt entgegenzuwirken, seien keine getroffen worden.
„Es darf nicht sein, dass sich die örtliche Politik im Köln / Bonner Raum einseitig ohne Rücksicht auf Natur, Landschaft und auf die wirklichen Wohnbedürfnisse der Bevölkerung ungebremst wirtschaftlichem Wachstum und der ungesteuerten Bevölkerungszunahme in der Region verschreibt“, sagt Norbert Brauner, stellvertretender Vorsitzender des Landschaftsschutzvereins Vorgebirge (LSV).
„Dieser Forderung schließen wir uns voll und ganz an“, sagen Friedrich Jeschke und Beate Hane-Knoll von der Fraktion DIE LINKE. / Volt im Regionalrat Köln mit Nachdruck.
(Den Text der Pressemitteilung, deren Fußnoten sowie Informationen zur Fraktion DIE LINKE. / Volt finden Sie im Anhang. Des Weiteren finden Sie im Anhang die Resolution der Bürgerinitiativen, die von der Fraktion DIE LINKE. / Volt sowie der Fraktion der Grünen als Antrag zur heutigen Regionalratssitzung eingereicht worden ist.)
Bei Rückfragen erreichen Sie mich unter den Kontaktdaten in meiner Signatur unten.
Mit freundlichen Grüßen
Bettina Wolff
[1] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/dokumente/stellungnahme_des_umweltbundesamtes_zum_entwurf_des_bundesverkehrswegeplans_2030_mit_umweltbericht.pdf
[2] https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/02_Sondergutachten/2016_2020/2017_11_SG_Klimaschutz_im_Verkehrssektor.pdf?__blob=publicationFile&v=13
[3] The Fundamental Law of Highway Congestion – Gilles Duranton & Matthew A. Turner
[4] The fundamental law of highway congestion revisited: Evidence from national expressways in Japan -Wen-Tai Hsu et al Singapore Management University
[5] Congestion in Highways when tolls and railroads matter: Evidence from European cities. – Miquel-Àngel Garcia-López et al.
[6] https://rheinspange.nrw.de/wp-content/uploads/2020/06/Rheinspange_Verkehrsuntersuchung_Bericht.pdf
[7] Braess-Paradoxon – Wikipedia
[8] Das Breass-Paradoxon ist nicht derselbe Effekt wie das “Fundamental Law of Traffic Congestion”, es ist ein weiterer Faktor, der sich negativ auf den Verkehrsfluss auswirkt, welcher sich nicht auf die Verbreiterung, sondern auf den Neubau von Straßen bezieht.
PM Rheinspange_DIE LINKE-Volt
Antrag_Resolution der Bürgerinitiativen
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